Die Wassergewinnungsanlagen
der Kammgarnspinnerei


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der Wassergewinnungsanlagen
1879
Durch Aktiengewinne in Millionenhöhe verdiente die Firma Johann Wülfing & Sohn so viel Geld, daß sie zuerst nicht wußte, wohin damit.
ab 1880
Wülfing investierte die Gewinne in den Neubau einer Kammgarnspinnerei auf den Schäferschen Feldern südwestlich von Lennep.
Die neue Fabrik lag zwar günstig an der Eisenbahn, besaß aber keine einfach zu erschließenden Wasserquellen. Man wußte demnach schon vor dem Bau, daß es schwierig sein würde, für die Textilproduktion genügend Wasser heranzuschaffen.
Zu Rate gezogene Fachleute schätzen den Wasserverbrauch der Spinnerei mit 100 m³ am Tag ein. Eine relativ geringe Wassermenge, die leicht aus den zwei Rotzkotter Seen von einem Windmotor in den Hochbehälter der Fabrik gepumpt werden konnte.
1885
Die Fachleute lagen völlig falsch, das Werk verbrauchte nämlich fast die fünffache Menge Wasser wie vorhergesagt.
Außer der Vergrößerung der beiden Rotzkotter Seen entschloß sich die Firma dazu, einen dritten Teich anzulegen. Der Wasservorrat der Teiche betrug jetzt zusammen 27000 m³. Gleichzeitig stellte Wülfing die Pumpanlagen auf Dampf an Stelle des Windmotors um.
1887
Der Baumeister Albert Schmidt berichtet, daß der Untergrund der Teichdämme nicht so dicht war, wie er sein sollte. Das durchgesickerte Wasser trat unterhalb des ersten Rotzkotter Sees als starke Quelle aus dem Berghang wieder aus. Ein idealer Platz für einen Brunnen, aus dem eine Dampfpumpe das Wasser in den Hochbehälter der Fabrik beförderte.
ab 1892
Der Wasserbrauch stieg auf über 1000 m³ pro Tag. Wülfing streckte seine Fühler in Richtung Diepmannsbachtal aus. Die Firma besaß nämlich schon seit 1888 sämtliche Grundstücke im Tal und die damit verbundenen Wasserrechte, so daß einer Umänderung der kompletten Wasserverhältnisse nichts mehr im Wege stand.
Das Wasser der Quellen und Siepen oberhalb, sowie rechts und links des Diepmannsbaches sammelte sich in den Triebwerksteichen der ehemaligen Fabrikstätten im Tal. Mit dem auf das Doppelte vergrößerten Teich des Busenhammers und den schon benutzten Rotzkotter Teichen betrug der Vorrat an Brauchwasser jetzt fast 45000 m³.
Die Dampfpumpe in Diepmannsbach (sie erhielt ihren Dampf aus dem Kesselhaus der Fahrradfabrik) konnte täglich 600 m³ zum oberen Hauptpumpwerk am ersten Rotzkotter See drücken.
Nun muß man eins wissen, Wülfing degradierte den Diepmannsbach zu einem "Grundbach für Abwasser", der aus den Schmutzabsetzbecken der Spinnerei gespeist wurde und an den ehemaligen Hammerteichen im Tal vorbeifloß.
Von den Absetzbecken und Rieselfeldern ist heute fast nichts mehr zu sehen.
Nur noch die älteren Mitbürger unter uns erinnern sich an die "Stinketeiche" der Kammgarnspinnerei, die bis in die siebziger Jahre im Sommer ihren üblen Geruch verbreiteten.
1900
Damals erhitzte ein großer Wasserstreit zwischen der Firma Johann Wülfing & Sohn und einem großen Teil der Anlieger im Mors- und im Diepmannsbachtal die Gemüter. Die Anlieger waren der Meinung, daß ihnen durch die Wülfingschen Gewinnungsanlagen Wasser entzogen würde. Ein Gutachten folgte dem anderen.
Alle Gutachten mußten sich auf Zahlen stützen, die Albert Schmidt beim Bau der Anlagen ermittelt hatte. Diese Zahlen sagten schließlich aus, daß die Anlieger im Jahresmittel sogar von den Wassergewinnungsanlagen profitierten, weil diese den Abfluß "vergleichmäßigten".
Kurz gesagt : Wülfing gewann den Prozeß.
um 1945
Im zweiten Weltkrieg erhielt das obere Pumpenhäuschen einen Bombenvolltreffer.
Danach ist eine neue Pumpstation im Damm des untersten Rotzkotter Sees in Betrieb gegangen.
1990
Johann Wülfing & Sohn verbrauchte 10000 cbm Eigenwasser und 1500 cbm Stadtwasser im Monat. Von den alten Wassergewinnungsanlagen waren ab Mitte der achtziger Jahre nur noch die drei Rotzkotter Seen in Betrieb.
Das Abwasser floß nach dem Passieren der werkseigenen Kläranlage ins öffentliche Kanalnetz.
1998
Die inzwischen auf "Lenneper Kammgarnspinnerei" umbenannte Fabrik schließt ihre Pforten.
Die Natur erobert sich endgültig das Tal zurück.

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Peter Dominick 2007